Zwischen Erklärung und Rechtfertigung unterscheiden!
(Text liegt dem Odenwälder Echo als Leserbrief zur Veröffentlichung vor; Bezug: „Ratlosigkeit über AfD in Sensbachtal“, Odenwälder Echo vom 29.09.2017, und „Land mit Imageproblemen“, Odenwälder Echo vom 23.09.2017)
Die Gemeinde Sensbachtal im Odenwald hat bei der Bundestagswahl einen Zweitstimmenanteil für die AfD von 17,8 % zu verzeichnen. Das ist der höchste Wert gesamten Wahlkreis 187, aber auch andernorts konnte die Partei hohe Werte erzielen.
Ich finde, es macht an der Stelle sehr viel Sinn, zwischen Erklärung und Rechtfertigung dieses Stimmenanteils zu unterscheiden.
Es stimmt sicherlich, dass es ein ganzes Bündel von Gründen gibt, die einen hohen Anteil von Wählern zur AfD getrieben haben. Der Echo-Artikel nennt einige wie „der Wegzug junger Leute“ oder „der Verfall lieb gewonnener Strukturen“. Es werde zudem überall deutlich, dass Gaststätten verschwänden und in Vereinen nicht mehr so viel los sei wie früher. Dass keine Asylbewerber im Dorf lebten, könne laut Bürgermeister Scheuermann, auch gerade ein Grund dafür sein, dass „die Furcht vor den unbekannten Fremden vielleicht größer sein könnte als in Städten“.
All das sind aber auch unzureichende Erklärungen, wenn man bedenkt, dass etwa das benachbarte Hesseneck nur 8,4 % AFD-Zweitstimmen aufweist.
Und überhaupt: Erklären lässt sich sicher so manches, aber rechtfertigen eben nicht! Alle Wähler*innen, die in Sensbachtal, aber auch im restlichen Wahlkreis 187 oder sonstwo in Deutschland die AfD gewählt haben, müssen wissen: Es gibt keine Protestwahlen, es gibt keinen „Warnschuss“ an der Wahlurne, sondern es gibt nur Wahlergebnisse oder Abstimmungen, die sich ganz real auswirken, ob beim Brexit, bei der Trump-Wahl oder eben jetzt bei der AfD. Wer die AfD wählt, der wählt ihr Programm und drückt nicht irgendeine Taste, auf der „Protest“ draufstünde.
Und gerade eine Gegend wie der südliche Odenwald, die – wenn sie in der Konkurrenz mit den städtischen Regionen attraktiver werden möchte für junge Familien, für innovative Unternehmen, für Kulturschaffende, für Touristen und als Bildungsstandort, kann ein solches Votum für die AfD nicht gebrauchen und sollte es auch nicht wollen. Denn diese Partei bietet keine Lösungen für die angesprochenen Probleme an. Oder möchte jemand z.B. ernsthaft eine 4-spurige B45 von Dieburg bis Eberbach, wie es der AfD-Kandidat Dr. Rankl auf der Echo-Podiumsdiskussion in Groß-Umstadt am 6. September vorgeschlagen hat? – Das würde die gesamte Region entwerten. Den Odenwald fördert man nicht, indem man ihn selbst „zur Stadt“ macht, sondern nur, indem man ihn in seinen regionalen Besonderheiten stützt, fördert und weiterentwickelt und Stadt und Land als sich gegenseitig befruchtende Pole begreift.
Wie die Echo-Redakteurin Sabine Richter im Artikel „Land mit Imageproblemen“ vom 23.9.2017 sehr zutreffend bezüglich der angeblichen Rückständigkeit des Odenwaldes schreibt: „Auch hier leben Menschen im 21. Jahrhundert!“
Und weil das so ist, soll jeder wissen: Wer die AfD wählt, trägt zur Verschärfung der Probleme bei, nicht zu ihrer Lösung!
Frank Diefenbach, Michelstadt
PS: Das Beitragsbild entstand auf dem schönen Rundwanderweg beim Reußenkreuz, oberhalb der Gemeinde Sensbachtal.
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