Kolumne: Kreisel in Michelstadt »»

Glosse Ampelmuseum

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Irgendwann kam der Mensch hinzu, der dieses Geschäft dann übernommen hat. Schnellstens erfand dieser das Rad und dazugehörige Fahrzeuge. Damit diese auch fahren können, schuf er sogleich Straßen und Kreuzungen. Doch damit nicht genug. Da war noch Geld übrig; also stellte er an die Kreuzungen riesige Masten und installierte daran große schwarze Kästen. Damit der Autofahrer diese teuren Investitionen auch zu schätzen wusste, steckte er bunte Lampen hinein, die von nun das Leben des Autofahrers bestimmen sollten.

Obwohl die Menschheit Fortschritte macht, ist es im Odenwald immer noch so. Während andernorts die Einsicht gereift ist, dass diese schwarzen Ungetüme mit ihrem wechselnden Farbenspiel für teures Geld den Verkehr behindern und damit unnötig Lärm und Gestank produzieren, ist hier alles beim alten geblieben. Als Krönung der Verkehrsbehinderung hat sich die Linksabbiegerspur ohne eigene Grünphase erwiesen, wie sie auf der B 45 in Michelstadt und Erbach weit verbreitet ist. Günstig gelegen befinden sich in beiden Städten die kostenlosen Großparkplätze jenseits dieser originellen Zufahrtswege, wodurch sich regelmäßig bald mehr Fahrzeuge auf der Linksabbiegerspur drängen als welche, die geradeaus fahren wollen. Zuerst die lange Rotphase und dann den Gegenverkehr beachten. Schilda lässt grüßen.

So hält man sich die lästigen Wochenendausflügler vom Hals. Vom Busverkehr wollen wir erst gar nicht sprechen. Am besten, sie kommen gar nicht erst am Parkplatz an oder wenigstens genervt. Beides sind gute Voraussetzungen für einen gemütlichen Altstadtbummel und die touristische Belebung. Dafür stoßen die Gäste in beiden Altstädten gleich wieder auf die beliebten Blechkarossen, die sie glauben, mühevoll hinter sich gelassen zu haben.

Wer da jetzt noch der Meinung ist, dass die Städter trotzdem der Sehenswürdigkeiten wegen in den zentralen Odenwald kommen, der irrt. In Frankfurt und in Mannheim macht es die Runde, dass im Odenwald die Verkehrsführung noch aus den 50er Jahren ist. So etwas gibt es sonst nirgends mehr, denkt sich der neugierige Städter und fährt drauflos, um sich das Ampelkreuzungs-Outdoor-Museum persönlich anzusehen. Wie erhofft: Belohnt wird er mit dem Stau auf der Linksabbiegerspur. Der richtige Moment, zum Beweis von der tollen Kreuzung ein Foto zu schießen. Später am Parkplatz angekommen, fragt mich der Städter: „Hat es sich hier noch nicht herumgesprochen, dass es auch Kreisverkehre gibt?“ Diplomatisch gebe ich zur Antwort: „Doch schon, aber die haben wir so versteckt angebracht, dass Sie diese bestimmt nicht finden.“

Gedruckt mit der freundlichen Genehmigung des Autors: Manfred Giebenhain, Michelstadt

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