Jürgen Zinn anlässlich der Amtseinführung von Stephan Kelbert

Jürgen Zinn, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Stadtparlament Michelstadt hat am 16. September 2015 zur Amtseinführung des Michelstädter Bürgermeisters, Stephan Kelbert, wichtige Eckpunkte formuliert, die für eine nachhaltige und ökologische Stadtentwicklung während einer zweiten Amtszeit von Bedeutung sein werden.

Rede zur Amtseinführung von Stephan Kelbert 2015:

Werte Anwesende,
sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Stephan,

am frühen Abend des 6.März dieses Jahres war ich – zusammen mit meiner Frau Bettina, einigen GRÜNEN Freunden und natürlich einer ganzen Reihe von anderen „Kelbert-Unterstützern“ – im Rathaus-Bräu. Wir alle warteten gespannt auf erste Ergebnisse aus dem Stadthaus. Als diese dann gegen halb 8 eintrafen, waren wir natürlich alle sehr erleichtert, zumal wir an diesem Abend ja sogar zweimal sehr zufrieden sein konnten, lieber Frank Matiaske. Nicht, dass wir Zweifel hatten an Deinem Sieg, Stephan, die Höhe des Ergebnisses war der entscheidende Punkt. Und 81,4 Prozent sind ein wahrhaft stolzes Ergebnis, die Du in einer demokratischen Wahl gegen einen weiteren Kandidaten auf Dich vereinigen konntest.

Im Jahre 2009, also vor sechs Jahren, war das noch eine andere, wesentlich schwierigere Konstellation gewesen, als Du Dich – noch ohne Amtsbonus – mit 52,7 Prozent gegen drei Gegenkandidaten gleich im ersten Wahlgang durchgesetzt hast. Wir hatten uns bereits damals für Dich ausgesprochen und dies u. a. mit den Worten zum Ausdruck gebracht, „dass mit Kelbert ein Neuanfang in der Michelstädter Stadtpolitik möglich ist. Wir GRÜNEN wollen Stephan Kelbert dabei unterstützen – wohlwollend, kritisch und konstruktiv.“ (Presseerklärung Februar 2009)
Und ich denke, genau so ist es auch gekommen.

Was war denn nun das Prägende in Deiner ersten Amtsperiode?
Ich könnte jetzt eine Aufzählung starten von umgesetzten Projekten, beginnend mit dem Tourismus-Büro, weiterführend über die hoch frequentierte neue Skater-Anlage für Jugendliche, das Integrationsprojekt „WIR“ könnte ich nennen, die Neukonzeptionierung der erzieherischen Arbeit in den Michelstädter Kindergärten, die Neukonzeptionierung des Kellerei-Areals, das Radwege-Konzept sowie das gerade im Entstehen begriffene Stadtentwicklungs-Konzept etc.

Aus meiner bzw. aus unserer GRÜNEN Sicht aber ist der Stil, mit dem Du Politik machst bzw. gestaltest, das prägende Merkmal Deiner ersten Amtsperiode: das stete Einbeziehen der Fraktionen in Diskussions- und Entscheidungsprozesse, Transparenz in den haushaltspolitischen Abläufen, frühzeitige Bürgerbeteiligung bei anstehenden Bau- und Sanierungsmaßnahmen.

So konnte sich in Michelstadt ein konstruktiver und pragmatischer Stil in der Stadtpolitik entwickeln. Daran hast Du großen Anteil. In einer Haushaltsrede habe ich diesen neuen Politikstil einmal als „Michelstädter Konstruktivismus“ bezeichnet. Wohl wissend, dass in der Architektur, der Kunst oder auch in der Lernpsychologie dieser Begriff etwas anders definiert ist. Ich wollte einfach unseren parlamentarischen Umgang miteinander mal mit dem Begriff „konstruktiv“ etikettieren, welcher im Duden mit „… einen sinnvollen Aufbau fördernd und entwickelnd“ erklärt wird.

Aber, Stephan, wir sind natürlich nicht immer und in allen Punkten der gleichen Meinung. Es ist noch nicht allzu lange her, da lagen wir z. B. bei der Bewertung bzw. bei der geplanten Umsetzung eines „größeren“ Bauvorhabens in unseren Sichtweisen doch arg auseinander. Kontroversen aber, fair und sachlich ausgetragen, sind das Wesensmerkmal der Demokratie. Sie lebt vom Widerstreit der Interessen und Meinungen, vom Wettbewerb der Ideen, wie das Rousseau bereits im nachrevolutionären Frankreich in seinem „Gesellschaftsvertrag“ formuliert hat.
Fairerweise muss man noch anmerken, dass der Konflikt um jenes Baugebiet aber auch in Teilen der Tatsache geschuldet ist/war, dass jahrzehntelang schlichtweg ein Stadtentwicklungs-Konzept gefehlt hat.

Was könnten nun die wesentlichen Herausforderungen Deiner 2. Amtszeit werden?
Noch vor ein paar Wochen hätte ich begonnen, das eben schon erwähnte Stadtentwicklungs-Konzept, die Neugestaltung unserer städtischen Homepage, Straßenbeiträge oder neue, intelligente Verkehrsanbindungen an die B 45 aufzuzählen. Ich hätte bestimmt auch dargelegt, dass wir GRÜNE unter dem Motto „Welche Politik für welche Bürger?“ an ganz spezielle Maßnahmen denken, um uns gezielter gegen das Abwenden ganzer gesellschaftlicher Gruppen von unserem Gemeinwesen (Politikverdrossenheit) wenden zu können.

Diese ganze Themenvielfalt verblasst aber vor dem Hintergrund der derzeit wohl „wichtigsten und größten Herausforderung seit der Wiedervereinigung“ (so unsere Bundeskanzlerin in der letzten Woche): Wie gehen wir mit Traumatisierten und bei uns Schutz suchenden Flüchtlingen um?

Auch wenn die organisatorische Verantwortung hier der ODW-Kreis trägt, so leben doch zurzeit bereits 66 Schutzsuchende in unserer Stadt, die Hälfte davon unbegleitete Kinder und Jugendliche und ihre Anzahl wird zunehmen. Wir müssen uns die Frage stellen: Was können bzw. was müssen wir in Michelstadt tun in unseren Kitas, Schulen, im Alltag? Staatliche Stellen und Bürgerengagement leisten überall im Bundesgebiet wahrhaft Beachtliches. Wann kommt es schon mal vor, dass die „New York Times“ oder der „Guardian“ the Germans für ihre „Willkommenskultur“ auf den Titelseiten loben? Der „Willkommenskultur“ muss aber nun auch eine „Integrations-Kultur“ folgen! Und – wir sollten immer der Maxime folgen, dass die moralische und ethische Qualität einer Gesellschaft sich immer an dem Umgang mit ihren schwächsten Mitgliedern messen lässt!

Stephan, wir schätzen Deine fachliche Kompetenz, Dein innovatives Denken, Deine intellektuellen Qualitäten. Und wir haben da noch ein Pfund, mit dem wir wuchern können, das ist unsere freundschaftliche Verbundenheit mit Dir!
Lass uns gemeinsam die Probleme und Herausforderungen angehen, Du kannst mit unserer Unterstützung rechnen – und zwar wohlwollend, kritisch und konstruktiv!

Wir haben natürlich dem Spenden-Wunsch im Einladungs-Schreiben entsprochen, haben aber noch einen persönlichen Kartengruß für Dich. Da wir um Dein Faible für unkonventionelle Verkehrsmittel wissen, ziert die Frontseite unserer Karte ein älterer VW-Campingbus. Gemäß dem Motto: zwar ein wenig langsam und auch schon ein wenig in die Jahre gekommen, kommt er aber immer an, ist bunt, sehr praktisch und auf keinen Fall konventionell. Also ein ganz sympathisches Gefährt.

Stephan, bitte bleib gesund und tatkräftig und guter Dinge, damit wir gemeinsam mit Dir ganz viele wichtige Projekte für unsere Stadt, d. h. für deren Bürger und Bürgerinnen anpacken und umsetzen können!

H-J Zinn Fraktionsvorsitzender B90/Die GRÜNEN im Stadtparlament

 

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